Brüder Grimm-Museum Kassel, Kassel

Das Brüder Grimm-Museum Kassel befindet sich im Palais Bellevue in Kassel. Es widmet sich dem Leben und Werk der Brüder Grimm mit dem Schwerpunkt der von ihnen gesammelten Kinder- und Hausmärchen. Das Museum entstand 1959 aus Sammlungsgut, das von der damaligen Murhardschen und Landesbibliothek, der Stadt Kassel und im kleinen auch von der Brüder Grimm-Gesellschaft beigesteuert wurde und das durch neue Erwerbungen und durch Schenkungen bedeutend erweitert werden konnte. Das Museum wird von einem dreiköpfigen Kuratorium geleitet, dem zwei Vertreter der Stadt sowie der Präsident der Brüder Grimm-Gesellschaft angehören. Direktor des Museums ist Dr. Bernhard Lauer.

Geschichte

Die ersten Ausstellungsräume sowie Verwaltung und Archiv des Museums befanden sich seit 1959 im Erdgeschoss des Gebäudes der Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek in Kassel. Gründungsdirektor war Dr. Ludwig Denecke, dem auch einige der bis heute grundlegenden Erwerbungen des Museums zu verdanken sind. Das Museum war Bestandteil der Murhardschen und Landesbibliothek. Denecke wie auch sein Nachfolger Dr. Dieter Hennig leiteten das Museum und die Bibliothek in Personalunion. Unter Hennig zog die Ausstellung des Museums in das Erdgeschoss des Palais Bellevue um. Am 21. Oktober 1972 wurden dort die ersten Schauräume eröffnet, und die Ausstellungsfläche in der heutigen Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek wurde aufgegeben. Im Laufe der Zeit wurde das Museum auf alle vier Etagen ausgeweitet, nachdem andere Einrichtungen aus dem historischen Gebäude ausgezogen waren.
Seit Sommer 2006 ist nur noch das Erdgeschoss geöffnet, da schwere bauliche Mängel zu einer Sperrung des Treppenhauses führten.

Ausstellung

In der Dauerausstellung finden sich einige Exponate, die den Lebensalltag der Brüder illustrieren sollen und zum Teil im direkten Zusammenhang mit ihnen standen.
In dem feudalen Prachtbau des 18. Jahrhunderts wird versucht, mit Möbeln des Biedermeiers die Wohnwelt der beiden Brüder zu rekonstruieren. Eines der wichtigsten Exponate ist das Grimmsche Handexemplar der Kinder- und Hausmärchen von 1812/1815. Es wurde 2005 von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbe aufgenommen. Das Handexemplar ist eine Leihgabe der Universitätsbibliothek Kassel. Es stammt wie viele andere kostbare Grimm-Objekte aus der alten Landesbibliothek Kassel, die wegen kriegsbedingter Zerstörung des größten Teils ihrer Buchbestände nach dem Zweiten Weltkrieg mit der weniger geschädigten Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel verschmolzen und später zur Universitätsbibliothek Kassel erweitert wurde.

Die Wechselausstellungen haben meist Märchenmotive zum Thema, deren Rezeption in Vergangenheit und Gegenwart durch zweidimensionale Reproduktion trivialrealistischer Buchillustrationen beleuchtet werden.

Standortproblematik

Abgesehen von den neu aufgetretenen baulichen Mängeln, befriedigt die vorhandene Fläche nicht die Expansionspläne des Museums. Auch wenn die bisherigen Pläne eher vage formuliert wurden, zeichnet sich deutlich ab, dass nicht unbegrenzt in die historische denkmalgeschützte Bausubstanz eingegriffen werden kann und kein Platz für einen öffentlichen Ort der Forschung (Bibliothek und Archiv) ist.

Die Brüder-Grimm-Gesellschaft und die Stadt Kassel sprechen sich dennoch für eine Erweiterung am alten Standort Palais Bellevue aus. In einem Architekturwettbewerb wurden mögliche Anbauten und Erweiterungen angerissen. Besonders die vermeintliche Authentizität des Gebäudes (Originalsubstanz, die auch zur Lebenszeit der beiden Sprachwissenschaftler so bestand) wird als Argument vorgehalten. Das Palais wurde seit seiner Erbauung 1715 als Sternwarte für Landgraf Karl mehrfach erheblich verändert. Bis 1956 beherbergte es Wohnungen der landgräflichen Familie von Hessen. Der Bezug der Brüder zu dem Gebäude war, wenn sie auch kurze Zeit nur wenige Häuser weiter wohnten, eher gering. Am Brüder-Grimm-Platz steht bis heute ein ehemaliges Wohnhaus von Jacob und Wilhelm Grimm (das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, und beim Umbau zum heutigen Verwaltungsgerichtshof wurden die Zwischenwände der ehemaligen Grimmschen Wohnung abgetragen). Seitens des Landes Hessens, besonders durch den hessischen Minister für Kunst Udo Corts wurde die Möglichkeit der Umsiedling des Museum in die größere Liegenschaft angeboten. Diese Option wird allerdings bisher vom Kulturbürgermeister der Stadt Kassel und vom Leiter des Brüder Grimm-Museums nicht unterstützt.
Ein weiteres bis heute erhaltenes Kasseler Wohnhaus der Brüder Grimm befindet sich in der Straße "Schöne Aussicht". Dieses Gebäude ist in Privatbesitz.

Bibliothek und Archiv

Das Museum beherbergt teils am Standort Palais Bellevue, teils noch in den Verwaltungs- und Archivräumen im Murhard-Gebäude, teils in weiteren Depots eine umfangreiche Sammlung von Büchern und Manuskripten, die überwiegend der Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek und der Brüder-Grimm-Gesellschaft gehören. Wegen der bestehenden räumlichen und benutzungstechnischen Probleme ist die Sammlung der Öffentlichkeit nur zum Teil zugänglich. Die Stellung des Brüder Grimm-Museums und der Brüder Grimm-Gesellschaft in Wissenschaft und Forschung und in der Museumsszene ist traditionell ambivalent: einerseits verfügen sie über wertvolle Bestände und sind von der Stadt Kassel mit dem dortigen Grimm-Erbe betraut, andererseits erheben Vertreter des Museums, der Gesellschaft und der Stadt Kassel sporadisch immer wieder den Anspruch, auch überregional Zentrum aller Interessen an den Brüdern Grimm zu sein und alle Grimm-Forschungen und -Aktivitäten zu koordinieren, was zur Folge hat, dass der Zugang zu Beständen für die Forschung und für Interessierte zusätzlich erschwert ist, wenn sie nicht dem engeren Kreis des Museums und der Gesellschaft angehören.